Bausatz, ein Satzbaubausatz im Treppenhaus der IG Arbeit

Aus einem von Markus Boyer lancierten Ideenwettbewerb für ein Kunstwerk im Neubau der IG Arbeit, Luzern ging mein Projekt “Bausatz” als Sieger hervor. In der Ausschreibung war eine künstlerische Intervention für das Treppenhaus gefordert, welche

die strenge und funktionale Architektur (bzw, die Enge des Treppenhauses) bereichern sollte. Einfach, überraschend, erfreulich, schön ev. irritierend zum Innehalten oder Schmunzeln sollte der Eingriff sein.

“Bausatz” besteht aus rund 200 verschiedenfarbigen, grossen Magnetbuchstaben und Satzzeichen. Grosse Teile der Wände des Treppenhauses wurden mit einer Spezialfarbe mit einem hohen Metallanteil grundiert und anschliessend einmal überstrichen, mit dem Resultat, dass nun die Buchstaben haften können. Diese Wände können nun mit wechselnden Botschaften und Zeichen beschriftet werden.

Im Frühjahr und Sommer 2009 realisierte ich dann die Arbeit. Das Hauptproblem bei der Ausführung stellte sich im Abstimmen der verwendeten Materialien zueinander (Schaumstoff, Magnete, Magnetfarbe, Betonwand); und der Dimensionierung und Kräfte (Gewicht u. Grösse der Buchstaben, Haftkraft der Magnete, Haftkraft der Leimverbindung Magnet-Schaumstoff, Reibung zwischen Buchstaben und gestrichener Wand). Nach der Lieferung der Buchstaben war mein Atelier für einen Monat lang voll davon.

Die Unmengen von Buchstaben verleiteten zu allerlei Experimenten (insbesondere die Negativformen hatten es mir angetan) bevor ich mit dem Einlassen und Leimen der Magnete begann.

Zur gleichen Zeit wurde das Treppenhaus der IG Arbeit mit “Magnetfarbe” gestrichen. Der “Satzbau-Bausatz” war Ende Oktober fertig. Nachdem ich erst einmal schlicht die Lettern nach Farben sortiert auf je einer Etage verteilt hab, begann ich einzelne Wortspiele und Wortschöpfungen zu plazieren.

Seither bespielen die Leute der IG Arbeit den Bausatz. Ich besuche ab und an das Treppenhaus. Schaue wie sich die Arbeit verändert hat, dokumentiere und greife zum Teil in den Prozess ein.

Alles ist da. Bereit um inspiriert und belebt, mit Sinn oder Unsinn gefühlt und gefüllt zu werden. Die farbigen Buchstaben reizen durch ihre Haptik. Wie von Zauberhand haften sie an den Wänden und sind dennoch beweglich im Kontrast zur Statik des Treppenhauses. Die subversive Magie des Wandelbaren und Provisorischen gegenüber der Macht der unbeweglichen Materie.

Der Spielraum ist durch die Architektur vorgegeben und begrenzt. Zwar ist auch die Anzahl der Buchstaben unseres Alphabetes klein, doch in Kombination miteinander bringen sie den immensen Wortschatz unserer Kultur hervor. Sie sind quasi die Atome des Geschriebenen. Bereit um zu einfachen oder komplexen Molekülen verknüpft zu werden; bereit um die Welt zu beschreiben und mit Bedeutung zu füllen.

Die Benutzer des Gebäudes bespielen dieses Werk. Die Arbeit verändert sich je nach Aktivität und Lust der Teilnehmenden. Das Treppenhaus wird zum Platz für verstohlene Offenbarungen, sachliche Feststellungen, trendige Emoticons, unlautere Angebote, komplexe Mengenrechnungen, banale Liebesgeständnisse, unvollendete Gedichte, schnörkellose Pendenzenlisten, dadaistische Typogramme, rätselhafte Kommentare, etcetera …

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